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START-IN: Führen im digitalen Zeitalter | Wie wärs mit 10 mal besser statt Perfektion?

Der „Faktor 10“ steht in der Naturwissenschaft für die Verbesserung messbarer Eigenschaften um eine Größenordnung. Spricht man mit Gründern, dann hat sich auch dort der Faktor 10 als Anspruch bei Neugründungen durchgesetzt. So darf beispielsweise ein angedachter Service nur noch 10% des ursprünglichen Preises kosten. Oder muss eben 10 Mal so gut – also besser – sein als vergleichbare Produkte.

Im B2C bedeutet dies in der Regel, dass ein Kunde seine Anforderungen und Erwartungen an das Produkt oder das Unternehmen ganz individuell definiert. Im B2B werden die Anforderungen in der Regel durch klar spezifizierte Eigenschaften unterlegt. Optimalerweise werden diese Spezifikationen mit einer Funktionsbeschreibung unterlegt. Im Entscheidungsprozess werden dann Lösungen im Hinblick auf die Befriedigung der Funktionalität untereinander verglichen. Das ist kurzgesprochen der Standard oder anders formuliert: So sieht zumindest in der Theorie der Interaktionsrahmen aus.

Ob wir nun über individuelle Erwartungen oder technische Notwendigkeiten sprechen – worauf bezieht sich „besser“ eigentlich? Was sind die Basiskriterien, die ein mündiger Bürger für seine Entscheidung (vergleichend) heranzieht?

- Verlässlichkeit: Wie sicher ist die Leistung/das Produkt? Wie lang ist die Lebensdauer?
- Kosten oder Preis: Was muss ich zahlen? Wieviel Aufwand muss ich selber betreiben, um das Produkt zu bekommen?
- Einfachheit & Zeit: Wie einfach oder kompliziert ist es, das Produkt zu nutzen? Wann oder wie schnell bekomme ich es?
- Beziehung: Wodurch fühle ich mich als Person oder Unternehmen eher verstanden? Wer ist sympathischer?
- Individualität: Passt die Leistung/das Produkt zu mir? Kann ich mitgestalten? Könnte ich etwas Exklusives erhalten?
- Qualität: Welche Leistung bekomme ich?

Diese Analysemethode sollte zu den einfachsten Übungen tradierter Unternehmen gehören. Im Projektmanagement und in der Produktion haben sich die Beteiligten stets mit dem sogenannten Magischen Dreieck auseinanderzusetzen. Das Magische Dreieck verdeutlicht die Abwägung von drei konkurrierenden Nutzeneffekten, hier: Kosten, Zeit und Qualität. Wollen wir Kosten sparen, haben wir einen Einfluss auf die Qualität und vermutlich auch einen Effekt auf die Dauer. Wollen wir die Qualität erhöhen, hat dies Konsequenzen für Kosten und Zeit. Und so weiter. So zumindest in der Theorie.

Dieser Kampf setzt sich bis in die Unternehmensführung fort. Die Vertreter der unterschiedlichen Unternehmensfunktionen stehen mit ihrem Bereich für einen zentralen Beitrag zum Unternehmensergebnis. Marketing, Einkauf, Produktion, Technik wägen gemeinsam zwischen konkurrierenden Zielen ab. Das ist nichts Neues. Keine Gefahr oder Schwäche in Sicht.

Ganz im Gegenteil! Hier liegt viel Sprengstoff begraben.

Warum? Der positiv gestimmte Mensch mag vielleicht einwerfen, dass es doch gar nicht anders sein kann. Die Bewertung eines Nutzens ist doch in den meisten Fällen das Resultat eines komplexen und kampfbereiten Vergleichsprozesses. Man unterscheidet schließlich das vorliegende Angebot oder eine Idee mit den eigenen Bedürfnissen sowie mit alternativen Konzepten.
Dem ist auch beizupflichten. Um jedoch im digitalen Zeitalter – also in der VUCA Welt – erfolgreich zu agieren, darf Folgendes an entscheidenden Positionen nicht (!) zu finden sein: Egoismen, Angst vor Fehlern und Veränderungen sowie Selbstüberschätzung – das, was viele mit Blockade oder sogar mit Machtmissbrauch in Verbindung bringen. Ein Kulturwandel, der die Analyse und Bereinigung dieser Eigenschaften in den Schlüsselfunktionen ausschließt, wird nicht erfolgreich sein. Denn die Genialität des Einzelnen bleibt wichtig, doch nicht mehr im Sinne eines Nadelöhrs.

Betrachten wir das Thema mal von einer anderen Seite: In der DNA vieler deutscher Unternehmen ist das Ingenieurswissen tief eingeflochten. Unternehmen sind nicht nur erfahren in der Entwicklung neuer Produkte und Lösungen, sondern nähren auch ihr Selbstbewusstsein von dieser Fähigkeit und den Erfolgen aus der Vergangenheit.

Quantensprünge entstehen nur, wenn radikal und ambitioniert gedacht wird und einer Skalierung von Ideen nichts im Wege steht.

Der beschriebene „Faktor 10“, die Koppelung von eigentlich konkurrierenden Nutzendimensionen oder das Aufdecken neuer Nutzen-Charaktere, bieten dies. Doch wie entstehen diese neuen, wirklich kreative Lösungen, die sowohl kundenzentriert als auch skalierbare sind?

Die Zusammenstellung diverser Teams, die sich durch unterschiedliche Fachkompetenzen, Netzwerk-Mitgliedschaften und gleichzeitig mit einem gemeinsamen Wertegerüst und Entscheidungsfreiheiten auszeichnen, bieten die Basis für einen ambitionierten und agilen Entwicklungsprozess. Anstelle von langen, schriftlich untermauerten Prozessketten – vom kundennahen Vertriebsmitarbeiter bis hin in die weit entfernten und teilweise undurchschaubar verzweigten Fachbereiche in der Zentrale – wird in agil ausgerichteten Unternehmen die Entscheidungspyramide (nah zum Kunden) umgedreht.

Kreativ-Methoden, wie im Design Thinking abgebildet, sowie IT-Tools, die eine Zusammenarbeit auch an unterschiedlichen Orten ermöglichen, schaffen schnell Strukturen, in denen aus Ideen, kundenzentrierte Lösungen entstehen. Die Einbindung genau jener, also der Kunden, ist bei diesen Stetups frühzeitig gegeben, ja quasi ein Pflichtprogramm.

Ein weiterer, als „evolutionär“ zu bezeichneten Ideengenerator und Transformationsbeschleuniger ist die bewusste Konfrontation mit „Mangel“!

Das heißt zum Beispiel wenig/kaum Zeit und oder wenig/kaum Geld für die Entwicklung eines Produktes zu haben. So hat beispielsweise ein bekannter Lebensmittelproduzent die Anforderung an das Entwicklungsteams für ein neues Joghurtprodukt gestellt, dieses innerhalb von sechs Monaten im Markt verfügbar zu machen. Kenner der Branche wissen, dass der Markt an Joghurtprodukten einen hohen Sättigungsgrad hat. Es gibt eigentlich schon alles. Und wenn im Dickicht der Konkurrenzprodukte ein neues Produkt auch noch erfolgreich auftaucht, dann ist dies das Resultat einer sehr versierten Auseinandersetzung mit vielen verschiedenen Faktoren. Also, um es kurz zu sagen: Sechs Monate – von der Idee bis zur Markteinführung – sind unverschämt wenig Zeit. Nichtsdestotrotz hat das (divers zusammengestellte, mit externen Know-how Trägern komplettierte und mit Kundenvertretern vernetzte) Projektteam dies geschafft. Laut Feedback der Projektmitglieder hat die professionelle Nutzung und Anwendung der Design Thinking Methode wesentlich dazu beigetragen, dass der sehr ambitioniert verkürzte Entwicklungsprozess gelungen ist.

Andere bekannte Beispiele für radikales Reduzieren auf Nutzenstiftung sind die bekannten Plattformanbieter Flixbus oder AirBnB. Weder der genutzte Bustransfer, die Übernachtung an einem fremden Ort, noch der städtische Transfer werden durch Mitarbeiter und Ressourcen des beauftragten Unternehmens sichergestellt. Als nutzenstiftende Kernkompetenz wurde das Zusammenbringen von Leistungsträgern auf einer benutzerbevorzugten App verstanden.

Radikal denken heißt aber nicht immer Wegstreichen.

So setzt das Unternehmen Flaschenpost bewusst auf eigenes Personal für die Auslieferung der Getränke und Snackangebote für die wartende Kundschaft. Mit seinem Angebot, Getränke innerhalb der Stadt bereits 2 Stunden nach Bestelleingang auszuliefern, hat das Münsteraner Start-up für große Aufmerksamkeit gesorgt. Den Entscheidern war zu Beginn der Kampagne klar: Das Erreichen dieses Verkaufsversprechens wird die Basis für die Reputation des Unternehmens sein. Und „Vertrauensbildung“ mit den Endkunden ist das Ziel. Dafür braucht es im Verständnis der Gründer Mitarbeiter, die zu 100% hinter dem Qualitätsversprechen von Flaschenpost stehen. So zumindest berichtet Titus Braden, Head of Operations bei Flaschenpost, auf der Logistik Heute-Veranstaltung der Lebensmittelindustrie im Oktober 2019 in Mannheim. Der Erfolg gibt ihnen Recht. Auch im Frühjahr 2020, als dieses Versprechen aufgrund der Pandemie nicht in gleicher Form eingehalten werden konnte. Denn der Grund hierfür war offensichtlich und nicht durch Flaschenpost verursacht. Das bis hierin in der Kundschaft aufgebaute Vertrauen erzielte bereits seine Wirkung.

Es wundert daher nicht, dass die Wachstumspläne dieses Unternehmens vielversprechend sind. Waren es Ende 2019 noch 18 Standorte, so liegt im September 2020 die Zahl bei 22 Standort mit inzwischen bis zu 150 Fahrzeugen pro Standort.

Open Innovation & Aufbau von zukunftsweisenden ECO-Systemen gelingt nicht ohne Veränderungsbereitschaft!

Tradierte Unternehmen haben die Chance, sich an den Verhaltensmustern von Start-ups zu reflektieren und hieraus zu lernen. Die Tragik vieler tradierter Unternehmen ist, dass umwälzende Ideen oder erkannte und geschätzte Konzepte von außen durch interne Filterprozesse aufgefressen werden. Jeder Transformationsprogramm muss aber eine Antwort auf diese zersetzenden Dynamiken haben. Meiner Erfahrung nach ist das Erleben von Vorbildern aus dem Führungskreis und gleichzeitig die Förderung von sogenannten Graswurzel-Bewegungen selbstbewusster Organisationsmitglieder hierfür bzw. hiergeben hoch wirksam.

Solche Vorbilder haben Sie nicht…? Dann wird es Zeit, dieses (wieder) zu thematisieren, um die Transformation von innen – nachhaltig wirksam – gemeinsam* zu gestalten.

In diesem Sinne… bleibt gesund & voller Tatendrang!
Herzlichst
Eure
Bettina Bohlmann

*P.S: Dies ist übrigens eine der wichtigen Aufgaben von externen Kompetenzträgern / Organisationsentwicklern, die durch ihre Neutralität, Erfahrung sowie Konflikterfahrung den Reflexionsprozess initiieren und führen können. Wenn Sie Lust auf einen tiefergehenden Austausch haben, dann schreibt mir gerne unter bohlmann@3pgmbh.de.

Im Frühjahr 2021 erscheint im Springer Gabler Verlag mein Buch zum Thema: Start-in – die Innovationskraft von Start-Ups nutzen. Wie tradierte Unternehmen den Kulturwandel im digitalen Zeitalter gestalten

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